Grundsätzliches muss auf den Prüfstand
Frankfurt am Main, 16. November 2016. Auf dem Fleischer-Verbandstag in Saarbrücken wurde Sachsens stellvertretende Landesinnungsmeisterin Nora Seitz in das Präsidium des Deutschen Fleischer-Verbandes gewählt. Nun äußert sie sich im Interview über ihre Arbeit im Ressort Berufsbildung.
-
Frau Seitz, am kommenden Wochenende beginnt der Bundesleistungswettbewerb der Fleischerjugend in Freiburg. Sie waren schon als Teilnehmerin dabei, in den letzten Jahren als Jurorin und nun erstmalig als Jurychefin und zuständige Vizepräsidentin. Was ist jetzt anders?
Wir sind im Moment in den letzten Vorbereitungen, aber der Bundesleistungswettbewerb ist vor allem eine Teamleistung, an der alle Beteiligten einen großen Anteil haben. Meine Kollegen Landeslehrlingswarte aus dem Fachbeirat Berufsbildung und die Hauptgeschäftsstelle des DFV in Frankfurt. Wir haben hier eine tolle Mannschaft beisammen, wir stehen per Telefon und WhatsApp-Gruppe in ständigem Kontakt. So gesehen gehe ich gespannt, aber vor allem voller Vorfreude in den Wettbewerb.In den Gremien des DFV und zuletzt beim Verbandstag in Saarbrücken war viel von nötigen Veränderungen beim Bundeswettbewerb sowie insgesamt im Bereich Berufsbildung die Rede. Werden wir kommende Woche in Freiburg schon erste Änderungen sehen?
Für grundlegende Weichenstellungen war die Zeit zu knapp, dennoch haben wir uns bereits auf erste Veränderungen geeinigt. Die betreffen die Kandidatenauswahl für den Internationalen Leistungswettbewerb. Hier haben sich bisher automatisch immer nur die zwei besten Teilnehmer der Fleischer qualifiziert. In diesem Jahr werden wir die Teilnehmer erstmals aus einer größeren Gruppe auswählen. Ein wichtiger Faktor wird hierbei sein, wie groß die Motivation und der Willen der Teilnehmer sind, selbst beim ILW mitzumachen. Wir werden die zukünftigen ILW-Teilnehmer intensiv fördern und vorbereiten, entscheidend ist aber auch, ob sie sich selbst nochmal richtig reinknien wollen, um in diesem anspruchsvollen Wettbewerb gute Leistungen zu zeigen.
Das bedeutet, dass Sie sich dem Thema Wettbewerbe in Zukunft noch intensiver widmen wollen?
Eine Weiterentwicklung, die aktuellen Entwicklungen gerecht wird, ist überfällig, nicht nur aus meiner Sicht. Wir haben innerhalb der Landeslehrlingswarte bereits eine Menge an Ideen zusammengetragen und mögliche Lösungen besprochen. Zudem sammele ich seit einiger Zeit Meinungen und Anregungen aus dem Kollegenkreis. Auch mit drei BLW-Teilnehmern, zu denen ich noch Kontakt halte, habe ich mich ausgetauscht und viele wertvolle Hinweise erhalten. Auf der nächsten Fachbeiratssitzung am Sonntag vor dem Bundeswettbewerb kommt alles auf den Tisch und wir werden konkrete Änderungsvorschläge erarbeiten.
Was erwartet uns?
Im Gespräch sind zurzeit zwei Modelle, ein vollständig veränderter Wettbewerb und eine Art Nationalmannschaft des Fleischerhandwerks. Aber ich möchte ungern den Beratungen im Fachbeirat vorgreifen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass wir eine Lösung finden, die von allen Kollegen und Beteiligten mitgetragen wird. Die Bereitschaft zur Veränderung ist jedenfalls spürbar und ich für meinen Teil freue mich, endlich richtig loszulegen. Mein Ziel ist es, möglichst bald ein starkes Konzept für eine Veranstaltung vorzustellen, das all unseren Ansprüchen genügt. Wir haben viele Dinge zu berücksichtigen: Wir wollen zeigen, wie attraktiv unser Handwerk ist, für Nachwuchskräfte, aber auch für unsere Kunden. Wir wollen aber auch die besten unseres Handwerks fördern und einbinden. Das alles gut zu verbinden ist nicht einfach, aber unsere Truppe im Fachbeirat ist sensationell engagiert und motiviert. Zudem ist der Bundesleistungswettbewerb ja nur eine Baustelle von vielen.
Sie meinen das Thema Berufsbildung als Ganzes?
Allerdings. Die Ausbildungssituation im Fleischerhandwerk beschäftigt uns natürlich insgesamt. Nicht nur für den Wettbewerb brauchen wir qualifizierte junge Kollegen. Viel wichtiger ist selbstverständlich, dass wir vorher erst einmal möglichst viele gute Leute für unsere Berufe gewinnen. Da kann der Leistungswettbewerb eine gewisse Rolle spielen, es kommen aber viele andere Dinge dazu, die wir mit genauso viel Hochdruck angehen müssen. Die tolle Nachwuchswerbung, die wir haben, muss noch besser genutzt werden, da ist jeder einzelne gefragt. Aber auch Grundsätzliches muss auf den Prüfstand. Wir müssen klären, ob die Ausbildungsinhalte noch zeitgemäß sind, sowohl was die betriebliche Praxis angeht, als auch hinsichtlich der Attraktivität für junge Leute. Dazu gehören auch Fragen nach der Ausbildungsdauer, der Vergütung und vielleicht auch der Berufsbezeichnungen. Wir haben im Handwerk im ganzen Land Betriebe, die sehr erfolgreich ausbilden. Aber wir dürfen nicht nachlassen, an der Qualität der Ausbildung zu arbeiten. Auch das ist eine Frage, mit der sich unser Fachbeirat intensiv auseinandersetzen wird.
Wie könnte das vor sich gehen?
Beharrlich dicke Bretter bohren. Mir ist klar, dass wirkliche Veränderung nicht von heute auf morgen und bestimmt auch nicht ohne gewissen Widerstand zu bewirken ist. Aber wir müssen das jetzt angehen, wenn wir in Zukunft noch Auszubildende und vernünftige Fachkräfte haben wollen.
Sie sind im Vergleich zu ihren Kollegen noch verhältnismäßig jung, zudem die erste Frau im DFV-Präsidium. Was hat sie bewogen, sich für das Amt zu bewerben?
Ich bin sehr dankbar, dass mir so viele Delegierte in Saarbrücken das Vertrauen ausgesprochen haben, obwohl ich den Altersdurchschnitt im Präsidium ziemlich nach unten drücke. Zudem bin ich froh, dass ich in einem Gremium arbeiten darf, dass mit tollen und erfahrenen Kollegen besetzt ist. Ich kann und werde sicher von ihnen eine Menge lernen. Aber die Frage, ob ich im Ehrenamt mitarbeiten soll oder nicht, habe ich mir nie gestellt. Wann immer ich gefragt worden bin, habe ich gesagt: „Klar, mache ich!“. Das hängt vielleicht mit meinem Großvater zusammen, an dessen Motto ich mich auch heute noch halte: „Sei Fleischer und kein ‚Fleescher‘.“ Er hat mir vorgelebt, wie wichtig Neugier und der Blick über den Tellerrand sind, dass allein Mitarbeit und Beteiligung im Ehrenamt unser Handwerk wirklich voranbringen. Zudem hatte ich natürlich auch ein bisschen Glück, ich war irgendwie immer zur rechten Zeit am rechten Ort. Zum Beispiel als Thomas Keller als Landesinnungsmeister antrat und eine junge Mannschaft um sich geschart hat, war ich dabei. Oder im Kreis der Landeslehrlingswarte, in dem ich gewissermaßen groß geworden bin.
Was fühlen Sie angesichts der Aufgaben, die jetzt vor Ihnen liegen?
Respekt vor den Leistungen meiner Vorgänger. Und ich spüre die Verpflichtung, den Kollegen gegenüber, die mich gewählt haben. Ich denke mir jeden Tag: „Das ist jetzt deine Aufgabe, das erwarten die Leute von dir.“ Aber es ist eben eine wahnsinnig spannende und coole Aufgabe, die ich vor mir habe. Und nochmal: Ich bin hier in einem klasse Team, meine Landeslehrlingswarte, meine Kollegen im Präsidium und die Geschäftsstelle. Wir stehen ständig miteinander in Kontakt. Gerade in Frankfurt rufe ich im Moment täglich an, ich warte nur auf den Moment in dem die Leute da sagen: „Du nervst!“ Das würde ich dann als Kompliment auffassen.
Das Interview ist in der afz allgemeine fleischer-zeitung Nr. 46 vom 16. November 2016 erschienen.
Druckfähiges Bild - Zurück