Mehr Wertschätzung für Menschen, Unternehmen und Produkte
Ausführungen von DFV-Präsident Herbert Dohrmann auf dem 33. Frische Forum Fleisch, Grüne Woche, 19. Januar 2018 in Berlin
Mir fällt die Aufgabe zu, über strategische Partnerschaften zu sprechen. Die werden wir brauchen, um vorhandene Wertschätzung zu erhalten und sie dort wieder aufzubauen, wo sie verloren gegangen ist. Es geht um Wertschätzung für unsere Produkte, für unsere Unternehmen und natürlich auch für die Menschen, die an der Erzeugung von gesunden Lebensmitteln arbeiten.
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Lassen Sie mich aber zuvor noch eine Anmerkung zum Titel dieses Forums machen. Es ist selbstverständlich, dass man als Unternehmer immer auch vorausschauend handeln muss. Dabei die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen, ist nicht nur sinnvoll, sondern zwingend. Die Frage ist aber, ob man sich dabei neu erfinden muss. Vielleicht war das in der Fleischwirtschaft gar nicht so gut, dass man sich fortwährend neu aufgestellt hat. Vielleicht wäre es besser gewesen, an dem einen oder anderen Bewährten festzuhalten, als es leichtfertig über Bord zu werfen.
Ich will deshalb an dieser Stelle mal ein Fragezeichen setzten, vor allem wenn man diesen Teil des Titels als Voraussetzung für die Zukunft definiert. Ich glaube, dass man nicht automatisch ein ewig Gestriger ist, wenn man konservativ handelt und schaut, was erhaltenswert ist. Ich komme gern gleich darauf zurück.
Es geht also um strategische Partnerschaft. Es ist eine Binsenweisheit für jeden hier im Raum, dass es natürlich das Zusammenspiel von mehreren Stufen braucht, um erfolgreich zu arbeiten. Wichtiger ist mir die zweite Aussage meines Themas, dass wir uns wieder stärker um Wertschätzung bemühen müssen.
Ich will Ihnen an dieser Stelle gleich zu Beginn die Quintessenz meines kurzen Vortrags vorstellen: Ohne Wertschätzung, ohne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung für Nutztierhaltung, Schlachtung, Verarbeitung und Ernährung mit Fleisch wird kein Teil unseres Wirtschaftszweigs dauerhaft erfolgreich arbeiten können. Wenn der Rückhalt verloren ist, wird auch keine Produktion für den Export mehr möglich sein.
Ich will Sie nicht mit Statistiken quälen, will aber doch darauf hinweisen, dass bei aller notwendigen Debatte um mögliche Defizite unsere Basis nach wie vor sehr gut ist. Je nachdem, welche Quelle Sie bemühen, ergeben sich andere Zahlen, aber wenn Sie mal alles zusammenfassen, darf man doch einige grundsätzliche Feststellungen treffen.
Der Fleischkonsum ist immer noch auf beachtlichen Niveau. Selbst wenn er deutlicher sinken würde: Als Vertreter des Fleischerhandwerks lassen Sie mich feststellen, dass die schiere Menge für uns nicht der Maßstab sein kann. Etwas weniger wäre gar nicht schlimm, wenn das, was dann gekauft wird, das Richtige ist. Wie dem auch sei, wir können in jedem Fall festhalten, dass sich die Verbraucher keineswegs auf breiter Front vom Fleisch abwenden.
Das sehen wir auch an der Zahl von Vegetariern und Veganern. Mag sein, dass die Zahl leicht zunimmt, aber wir sprechen hier immer noch von einem sehr kleinen Teil der Gesellschaft. Und mit Verlaub, der Versuch den Trend dadurch hochzuschreiben, dass man den Flexitarier erfunden hat, ist gewagt. Ich kenne keinen Menschen, der sich ausschließlich von Fleisch ernährt, so gesehen sind wir alle Flexitarier. Willkommen im Club.
Es gibt Experten hier im Raum, die das sehr viel besser wissen als ich, aber wenn die Zahlen stimmen, die ich zuletzt gelesen habe, dann hat der Hype um Fleischersatzprodukte deutlich abgenommen. Vor zwei Jahren noch musste man angesichts der Presse-Euphorie erwarten, dass binnen kürzester Zeit „echtes“ Fleisch in einer Nische verschwinden würde. Uns Fleischern wurde schon öffentlich geraten, schnellstmöglich umzustellen, um überleben zu können. Noch sind wir nicht ganz so weit. Vor zwei Wochen hat auch die FAZ den Sauerbraten hochleben lassen. Berichtet wird über den jüngsten Ernährungsreport von Forsa und BMEL. Tenor: Von wegen nur noch vegan, kaum Veränderungen bei den Essgewohnheiten.
Kurzum: Wir haben keinen Grund uns oder unsere Produkte zu verstecken. Die Verbraucher wollen Fleisch. Das ist gut und richtig so, aber wir müssen schon aufpassen, dass das auch so bleibt. Die Menschen stellen verstärkt Anforderungen an uns, denen wir gerecht werden müssen.
Das, was Sie hier sehen, ist nur eine Auswahl von Ansprüchen, die Sie alle kennen. Natürlich werden wir nicht ständig mit diesen Forderungen konfrontiert. Manches wird auch aus ganz unterschiedlichen Interessen heraus drängender dargestellt, als es tatsächlich ist. Der Verbraucher hat schon noch Vertrauen zu uns, aber schenkt dieses Vertrauen heute nicht mehr so selbstverständlich wie früher. Er will Antworten. Er will Fleisch, aber er will es mit gutem Gewissen essen können. Das müssen wir ihm mit ehrlichen Antworten ermöglichen.
Wir haben für unseren Verband drei Themenfelder definiert, die hinsichtlich der ethischen Ansprüche, die an uns gestellt sind, nach unserer Überzeugung immer mehr Bedeutung gewinnen werden. Diesen Themenfeldern werden wir künftig noch mehr Beachtung schenken als bisher. Die Fragen werden zunehmen und wir werden sie beantworten müssen.
Wir stehen hier vor der Herausforderung, dass diese Bereiche mit sehr viel Klischees und Vorurteilen besetzt sind. Wir alle erleben immer wieder, dass sachliche Informationen bei weitem nicht die Wirkung entfalten wie festgefahrene Emotionen. Wir können das beklagen, helfen wird uns das aber nichts. Gerade diesen Emotionen müssen wir überzeugend begegnen.
Vor allem, wenn Sie sich die beiden links dargestellten Themenbereiche ansehen, wird Ihnen deutlich, warum im Titel meines kurzen Vortrags sowohl die Notwendigkeit von strategischen Allianzen als auch die ländlichen Räume angesprochen werden. Keiner von uns kann für sich alleine Nachhaltigkeit sicherstellen, und dass eine akzeptierte Nutztierhaltung mit dem Leben auf dem Lande zusammenhängt, ist offensichtlich.
Also: Die Fragen liegen auf dem Tisch. Wie ich gezeigt habe, ist es derzeit noch keineswegs bedrohlich. Aber das wird sich möglicherweise bald ändern. Die Folgen könnten tatsächlich weitreichend sein.
Verzeihen Sie mir die etwas platte Gegenüberstellung, die ich hier an die Wand geworfen habe. Ich habe diese Darstellung gewählt, um zu zeigen, dass wir in erster Linie selbst dafür verantwortlich sind, wieviel Wertschätzung wir erfahren. Natürlich: Die Landwirtschaft und die Fleischwirtschaft werden häufig falsch und verzerrend dargestellt, aber wir sollten selbstkritisch sehen, dass die Branche selbst oft eine steile Vorlage hierfür gibt.
Ich bin der Überzeugung, dass wir mit den Konzepten, die derzeit unseren Markt prägen, die Zukunft nur schwer beherrschen werden. Immer größer, immer effizienter, immer industrieller, immer billiger wird nicht mehr lange funktionieren. Ja, die Menschen in Deutschland wollen preiswerte Waren, aber sie wollen auch mit gutem Gewissen essen. Preisführerschaft allein wird vielleicht schon bald nicht mehr genug sein.
Was braucht es stattdessen? Wir müssen das uneingeschränkte Vertrauen der Verbraucher erhalten oder zurückgewinnen. Das setzt gewisse Dinge voraus.
1. Wir brauchen Offenheit. Es wird noch viel zu häufig der Eindruck erweckt, man hätte etwas zu verbergen. Wir müssen diesen Teufelskreis durchbrechen. Große Tierbestände werden aus Sorge über mögliche Reaktionen versteckt, was wiederum als Beleg dafür hergenommen wird, dass irgendetwas nicht stimmt. Wie will ich den Verbrauchern klar machen, dass ein großer Stall nichts Schlechtes sein muss, wenn ich ihn systematisch verstecke? Ich habe es bei anderer Gelegenheit schon einmal angeführt: Wir müssen auf breiter Front deutlich machen, dass wir nichts zu verbergen haben. Und wenn doch, dann sollte es schleunigst geändert werden. Es muss die Losung gelten: Offen darstellen, wie es ist, und selbstbewusst dazu stehen. Anders wird es nichts mit der Wertschätzung.
2. Wenn wir Nutztierhaltung und Fleischerzeugung in Deutschland haben wollen, dann müssen wir unbedingt zu allererst die Erfordernisse des deutschen Marktes sehen. Das sollte uns nicht schwer fallen, denn so unbedeutend ist er ja nicht. Wir werden keine Wertschätzung bekommen, wenn wir dem Anspruch unserer Gesellschaft nicht gerecht werden. Ich räume gerne ein, dass es ohne Export auch nicht mehr gehen wird, aber er darf nicht unser Tun beherrschen.
3. Bei dieser Aussage, da bin ich mir völlig im Klaren, werde ich nicht nur Zustimmung bekommen. Aber gerade dieser Punkt ist besonders wichtig. Wir sind nämlich schon seit längerem dabei, unsere eigene Basis aufzulösen. Zwar wird Regionalität ganz groß geschrieben, aber gleichzeitig wird dieser Bereich fortwährend geschwächt. Die Zahl der bäuerlichen Betriebe geht ungebremst zurück, regionale Schlachthöfe verschwinden, das Fleischerhandwerk wird von einigen schon gar nicht mehr als ernstzunehmender Partner gesehen.
Wird das bemerkt, wird mit allerlei Maßnahmen versucht, die Lücke zu schließen. Da gibt es Siegel und Wappen, Dorfläden und Programme für die Ortsmitte. Es ist schon bemerkenswert, dass man funktionierende Strukturen auflöst, um mit Hilfsprogrammen einen schlechteren Ausgleich zu schaffen.
Ich glaube, dass es aus Sicht der GANZEN Branche keine gute Entwicklung ist. Wenn das so weitergeht, geht der persönliche Kontakt, der die allerbeste Grundlage für Vertrauen ist, weitgehend verloren. Vielleicht ist es blauäugig, aber ich bin tatsächlich davon überzeugt, dass alle Teile der Kette existenziell von der Wertschätzung abhängen.
4. Es wird eine ganze Reihe von strategischen Partnerschaften brauchen, um Wertschätzung dauerhaft sicherzustellen. Das ist ja tatsächlich alles nichts Neues. Der sehr dichte Kontakt von Bauer und Fleischer, oft verbunden durch einen regionalen Schlachthof, das waren haargenau die Strukturen, die man heute nachbilden will. Die Fleischer haben den Bauern einen Preis gezahlt, mit dem sie gut wirtschaften konnten, die Bauern haben im Gegenzug nicht jede überzogene Preisspitze mitgemacht. Im Ergebnis hat das alles gebracht, was heute hoch im Kurs steht: Regionale Vermarktung, faire Preise, gute Qualitäten und, wenn es richtig gemacht wurde, auch anständige Verhältnisse für die Tiere. Man kann das natürlich als Verklärung einer längst vergangenen Zeit betrachten. Aber das ist es eben nicht. An vielen Stellen wird versucht, besondere Qualitäten zu erzeugen und diese auf direkten Wegen zu vermarkten. Das ist nichts anderes.
Deshalb mein Appell: Dort wo es diese Strukturen noch gibt, sollten wir alles tun, sie zu erhalten. Und vernünftige Neuanfänge verdienen unser aller Unterstützung. Davon wird die ganze Kette profitieren.
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